Ein Interview

Der Mensch hinter dem Buch

Jensen? Klingt nach Nordlicht.

Stimmt. Obwohl „Michael Jensen“ und „Arne Jensen“ Pseudonyme sind, stamme ich tatsächlich von der Küste. Ich bin gebürtiger Nordfriese, der spätestens südlich der Elbe von starkem Heimweh befallen wird.

Ihre erste Romanreihe spielt in Schleswig-Holstein. Der Bezug zur Heimat ist also auch beim Schreiben vorhanden?
Ja und nein. Die Totenland-Reihe (Aufbau-Verlag) ist zwar in der Region Flensburg verortet, aber Blutgold und dessen Fortsetzungen spielen im Berlin der Zwanziger Jahre. Und auch Etwas verborgen Schönes (Heyne-Verlag) ist inspiriert vom Leben eines Berliner Originals, Charlotte von Mahlsdorf.

Sie waren nicht immer Autor. Was haben Sie vorher gemacht? Und was hat Sie dazu veranlasst, das Schreiben letztlich zum Beruf zu machen?
Ich habe fast drei Jahrzehnte als Arzt gearbeitet. Und in der Traumatherapie haben mich die Geschichten der Menschen, mit denen ich zu tun hatte, am meisten interessiert. Ich habe dann einen wunderbaren Ansatz gefunden, das Geschichtenerzählen in die Behandlung einzubeziehen. Man kennt dieses Vorgehen als Narrative Therapie. Meine Arbeit als Therapeut hat mich gelehrt, dass die Vergangenheit lange Schatten wirft auf das Leben vieler Menschen heute. Und meine innere Sehnsucht, selbst an Geschichten zu arbeiten und diese aufzuschreiben, wurde immer größer. Schließlich haben mir Seele ud Körper unmissverständlich klargemacht: Lebe deinen Traum, wenn du nicht selbst krank werden willst.

Lange Schatten. Die deutsche Geschichte spielt eine große Rolle in Ihren Romanen, speziell die Zeit des Nationalsozialismus.
In der Totenland-Reihe beschäftigte ich mich mit den letzten Tagen des Nazi-Regimes, dessen Vertreter sich teilweise nach Schleswig-Holstein absetzten. Und Etwas verborgen Schönes nimmt ebenfalls Bezug auf dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Und vor allem auf dessen Auswirkungen. Die Blutgold-Berlin-Reihe fällt scheinbar aus dem Rahmen, da sie in der Zeit der Weimarer Republik angsiedelt ist. Aber auch da interessierte es mich, als Autor quasi direkt mitzuerleben, was damals in den wenigen, freien Jahren vor der sogenannten Machtübernahme der Nazis geschah. Wenn ich Bücher schreibe, dann tauche in die Welten, um die es darin geht, immer voll und ganz ein.

Sind es also Historische Romane, die Sie schreiben?

Für die Totenland– und Blutgold-Reihe würde ich tatsächlich am ehesten den Begriff Historische Kriminalromane wählen wollen. Bei Etwas verborgen Schönes ist es komplizierter. Dieses Buch ist ein Triplet: Historischer Roman, Kriminalroman und Familienroman zugleich.

Fließen Ihre Erfahrungen aus der Traumatherapie in die Themen der Bücher ein?
Auf jeden Fall! Es gibt das Phänomen Transgenerationales Trauma, das auch Vererbtes Trauma genannt wird. Viele Menschen schleppen Altlasten mit sich herum, von denen sie höchstens ahnen. Es sind Belastungen, die sie nicht selbst, sondern ihre Vorfahren durchgemacht haben. Zuerst wurde dieses Problem bei den Nachkommen der Shoa-Opfer beschrieben. Mitterweile wissen wir, dass starke, psychische Überforderungen, die nicht bewältigt wurden, das Leben der Kinder (und sogar Enkel*innen) beeinträchtigen können. Gerade in Etwas verborgen Schönes beschreibe ich, wie Ereignisse, die achtzig Jahre zurückliegen, das Denken, Fühlen und Handeln auch bei jüngeren Familienmitgliedern beeinflussen.

Was können die Leser*innen in nächster Zeit vom „Duo Arne / Michael Jensen“ erwarten?
Michael Jensen wird die Berlin-Reihe fortsetzen. Im Februar erscheint beim Aufbau-Verlag der vierte Band Blutiges Erbe. Und Arne Jensen arbeitet für den Heyne-Verlag an einem weiteren Roman, der sich wieder um ein heikles – und teilweise historisches – Thema dreht. Bei Piper wird (voraussichtlich Ende 2024) eine Art Historischer Thriller erscheinen. Daneben sagt der „Zähler“ auf meiner Webseite durchaus die Wahrheit: Ich sitze im Moment an der Planung von vier weiteren Projekten. Und „1001 Ideen“ habe ich ohnehin…

(Das Interview führte Cornelia Haverlandt)
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