Lesung – Synagoge Lippstadt

Was blieb war Werkstatt und Garage

Ich war am 10. Juni vom „Kulturraum Synagoge Lippstadt e.V.“ zu einer Krimilesung aus meiner Totenland-Reihe eingeladen. Es war ein schöner Abend, der aber auch schmerzte. Die Synagoge wurde 1938 während des Pogroms zerstört und geplündert. Später blieb – wie so oft – nicht viel. Fast alle Mitglieder der jüdischen Gemeinde wurden deportiert und kamen später ums Leben. Und diejenigen Deutschen, die sich vor Ort eigentlich hätten erinnern müssen, wollten es nicht. Und so wurden die Räume bis vor kurzem gewerblich genutzt: eine heruntergekommene ehemalige Werkstatt, Garage, Lagerhalle, Abstellplatz für Mülltonnen. Das Bild zeigt eine Art Erdgeschoss, denn die Vorbesitzer hatten eine Beton-Zwischendecke im Saal eingezogen (daher wirken die Fenster wie Oberlichter und es stehen Stützpfeiler im Raum). Links in der Wand befand sich ursprünglich die Tora-Nische, die zugemauert und überputzt wurde:

Lesung Lippstadt
"Erdgeschoss" der Synagoge Lippstadt
"Obergeschoss" mit den halbierten Fenstern

Nun jedoch – nach über einem Dreivierteljahrhundert – tut sich etwas. Der Verein „Kulturraum Synagoge Lippstadt“ und dessen Mitstreiter*innen stemmen sich gegen das Vergessen, denken über neue Nutzungsformen und angemessene bauliche Maßnahmen für diesen verletzten Erinnerungsraum nach.

Persönlich empfand ich eine ungeheure Spannung in den Räumen, auch im Vergleich zu der sanierten Synagoge in Rendsburg (in der ich 2021 lesen durfte). Ich neige selbst mehr zu anarchischen Konzepten: Befreit den Toraschrein mit einem Vorschlaghammer, und lasst die Wunde offen! Nehmt die halbe Decke (die Seite zu den Fenstern) weg, aber belasst die andere Hälfte. Diese Erinnerung muss schmerzen, damit sie wach bleibt! Bitte kein Millionenprojekt, bei dem sich Honoratioren alle gegenseitig ihr Bedauern zumoralisieren. Sondern ein Bürger*innen-Projekt, das möglichst lange weh tut. Und das allen zuschreit: „Nicht vergessen: Nie wieder!“

Modell der alten Fassade

Das Fensterelement ist ein Werk der Künstlerin Lynne Leegte. Es zeigt die Nachbildung eines Bogenfensters an genau der Stelle, wo es sich vor der Zerstörung des Gebäudes befand.

Erinnerung eilt schnell vorbei, wenn wir sie zu schäbig behandeln

Ein herzliches Dankeschön an die Veranstalter (insbesondere an Dirk Raulff, Geschäftsführer des Vereins) für die Einladung!

Lesung – Synagoge Lippstadt
Nach oben scrollen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner